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Wer an Amsterdam als Urlaubsziel denkt, denkt vielleicht nicht automatisch daran, in der Adventszeit oder gar Anfang Januar anzureisen. Viele haben bislang auch nichts von einem Lichterfest gehört. Dabei versprüht gerade in dieser Zeit die Hauptstadt der Niederlande einen unglaublich romantischen und ästhetischen Charme, die ohnehin in jeder Ecke pittoresk und aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Jeder, der schon einmal in Amsterdam war, verliebt sich ein wenig in diesen kleinstädtischen Charme und kehrt wieder und wieder, weil es jedes Mal anders ist und in jeder Ecke eine andere Erfahrung auf einen wartet.
Neben den weihnachtlichen Lichtern bietet Amsterdam seit nunmehr 6 Jahren auch ein Lichterevent der ganz besonderen Art. Während inzwischen jede halbwegs große Stadt in Deutschland und auch auf der ganzen Welt in der dunklen Jahreszeit ihre Nacht der Lichter hat, kann man in Amsterdam zu Land 6 Wochen lang und auf dem Wasser sogar über zwei Monate zeitgenössische Kunstwerke aus aller Welt bewundern, die eine unglaubliche Symbiose mit dem von Graachten geprägten Stadtbild eingeht.
LICHTERFEST
Jahr für Jahr steht das Lichterfest in Amsterdam für beeindruckende und auch mal kleine und kaum sichtbare Lichtinstallationen, die sich jedes Jahr um ein bestimmtes Thema drehen. Dieses Jahr war der Titel “Existential”, zu denen über 35 Exponate von Künstlern rund um den Globus zählen.
Als ich im Zuge dieses Blosposts neben meinem analogen Festival Guide, der 5 Euro gekostet hat noch im Web auf Recherche ging, fand ich bei Trip Advisor eher enttäuschte und ernüchterte Bewertungen zum Light Festival, aber mir schien es, als wären diese Bewertungen bei genaueren Hinschauen hauptsächlich von Touristen, die erwarteten, dass ein “Festival” eher ein Festival im Sinne von Rock am Ring oder eben mehr Entertainment als nur eine Kunstausstellung ist oder eben jene, die enttäuscht waren, weil die Bootstour teuer war und sie nicht wirklich viel von den Kunstwerken hatten außer einen Audioguide mit Gratiskopfhörern. Da kommt eben so manchem Touristen “Thinline” des chinesischen Künstlers und Aktivisten Ai WeiWei vor wie “ein einfacher roter lichterschlauch der durchgehend verlegt worden war”. Es ist wie immer bei der Kunst – manchen begeistert ein Kunstwerk wie der 6,5 km lange Schlauch, der sich wie ein roter Faden durch die Wasserausstellung schlängelt und Besuchern auf Land und Wasser den Weg weist, Andere hingegen erschließt sich nicht, was daran Kunst sein soll.
EINMAL UM DIE WELT
Jedes Jahr entscheidet ein Komitee nach einer Auschreibung, welche Exponate von Künstlern aus aller Welt gebaut und ausgestellt werden. Einzig der eben schon erwähnte Ai Weiwei wurde eingeladen, seinen Beitrag zu leisten .Sein besonderer Hingucker, der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Wasseraussteilung zog, lässt Definitionen offen. Für mich erinnerte er an den roten Faden in der chinesischen Mythologie, der zwei Liebende durchs Schicksal verbindet – egal, was passieren mag.
Ein anderes Exponat eines asiatischen Künstlers aus der Landausstellung trifft ebenso das Thema Spekulationen: The Garden of Schroedinger’s Cat des japanischen Künstlers Takeo Sugamata beschäftigt sich – wie der Name schon sagt – mit der Theorie von Schroedinger’s Katze. Je nach Blickwinkel ist die Katze mal da und mal nicht zu sehen. Exisistiert sie dann?
KUNST FÜR JEDERMANN
Während eine Lichternacht zum Einkaufen animieren soll oder einfach die Stadt in schöne Farben taucht, ist die Besonderheit des Amsterdam Lichterfestes, dass die Kunst für jedermann kostenfrei zugänglich ist. Ob nun Kunstkenner, Hobbyfotograf oder Tourist, der gar nichts von diesem Festival weiß – früher oder später trifft man selbst auf eine der belebteren Straßen auf eine der Kunstwerke und wird neugierig, ob diese Tulpen im Wasser oder diese bunten Blumen für sich stehen oder Teil von etwas größerem sind.
EINE FAHRT AUF DEM WASSER
Wer nur für kurze Zeit in Amsterdam ist oder nicht gut zu Fuß, für den bietet sich an, eine Graachtenfahrt am Abend zu buchen. Zahlreiche Anbieter fahren ab etwa 19 Uhr bis 23 Uhr durch die Grachten und lassen so einen die Ausstellung hautnah vom Wasser aus erleben. Dabei ist es meist nicht von Vorteil, die Karten vorab im Internet zu buchen, da man dadurch keine kürzere Wartezeit oder andere Vorteile hat. Wir haben in zwei Jahren die Bootstour gemacht, um festzustellen, dass es nicht wirklich hilfreich ist, wenn man einmal an den Kunstwerken vorbeifährt. Das wäre wie eine Segwaytour durch den Louvre, in der man einmal kurz an der Mona Lisa vorbeihuscht.
Sollte die Bootstour, von der schon eingangs erwähnt viele Touristen enttäuscht waren, dennoch ein Muss für euch sein, ist die Tour in einem offenen Boot empfehlenswert, da man so am besten unverfälscht die Kunstwerke wahrnehmen kann. Allerdings ist auch anzumerken, dass nicht jedes der Kunstwerke perfekt auf eine Graachtenfahrt ausgelegt ist. Manche Kunstwerke wie Infinita in der Nähe vom Erlebnismuseum Nemo ist deutlich besser von Land aus zu bestaunen.
DIE LANDAUSTELLUNG
Eine sehr erfreuliche Erneuerung im Jahr 2017/18 ist, dass die Landesausstellung nicht mehr quer verteilt in der Stadt ist. In den Vorjahren hatte man oft das Problem, nicht alle Ausstellungsstücke an Land zu finden, da sie quer durch die Stadt verteilt waren. Nun hat man alle an einem Ort versammelt, der nur etwa 10 Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt ist. Natürlich war es in den vergangenen Jahren immer schön, überall in der Stadt Engelsflügel oder Kunstwerke anderer Art zu entdecken. Allerdings war es eben auch schwierig, alle Werke finden zu können.
Viele der Ausstellungsstücke laden zum Nachdenken ein, verzaubern und sind zum Teil in all ihrer Schönheit gar nicht mit Fotoapparat oder Videokamera einzufangen. Sei es nun eine Waldkulisse, in der man das Licht durch seine eigene Bewegung verändert oder eben ein Kunstwerk, dass im Prinzip ist wie diese Windlichter aus alten Konservendosen, in die man Löcher mit einem Nagel reinschlägt. So simpel das Ganze klingt, so unglaublich war es, denn auf keinem Foto kann man erkennen wie das Gefühl ist, wenn gleißende kleine Lichtstrahlen so aussehen, als könnte man sie anfassen. Auch für Selfieliebhaber gab es ein Kunstwerk, bei dem man sich filmen konnte – nur man selbst sah sich eben nicht während des Filmens. Und was sah man natürlich bei den Besuchern? Sie reckten ihre Hälse und versuchten allesamt, sich selbst zu sehen. Was will uns der Künstler damit sagen? Vielleicht, dass es inzwischen auch existenziell dazu gehört, sich selbst zu vermarkten und immer in einem guten Licht zu stehen. Sich zu fotografieren ohne sich dabei zu sehen oder gar eine Woche warten müssen, bis der Film entwickelt ist? Das kennen wir gar nicht mehr in Zeitalter der Smartphones.
IN DER STADT VON A NACH B
Amsterdam ist eine der wenigen Städte, die ich nie per öffentliche Verkehrsmittel erkunden würde. Wer vom Bahnhof Sloterdiek aus anreist, kommt nicht an einer Fahrt mit der Straßenbahn für 3 Euro pro Stunde vorbei, aber spätestens von einer Unterkunft in der Innenstadt aus kann man wunderbar die Stadt zu Fuß oder per Fahrrad erkunden. Ab 15 Euro pro Tag pro Rad kann man so wunderbar auch größere Touren machen oder einfach zu Fuß die vielen kleinen Ecken und Besonderheiten der Stadt ausfindig machen.
GASTRONOMIE UND NIGHTLIFE
Amsterdam ist keine Stadt, in der man Verhungern muss. Den Coffeeshops ist es wohl zu verdanken, dass es auch zahlreiche Ice Bakerys mit allerlei Süßigkeiten von Churros über Donuts bis hin zu Macarons gibt. Um Macarons und Feingebäck würde ich allerdings einen Bogen machen – die bunten Atombomben haben nichts mit feiner Patisseriekunst aus Frankreich gemein.
eher empfehlenswert sind die kleinen Cafés und Bistros außerhalb der Touristenhotspots. Dabei ist besonders bei deutschen Touristen „The Avocado Show“ beliebt, ein Restaurant rund um das Thema Avocado, dass Frühstück und Lunch anbietet und täglich von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet ist. Dort kann man allerdings nur mit Karte zahlen, also haltet eure V-Pay oder Kreditkarte bereit. Wer keine Avocados mag, wie eine Stuttgarterin an unserem Nebentisch, der wird allerdings nahe der Heidecke Experience auch nicht verhungern, denn neben dem Albert Cuyp Markt mit frischen Säften für 1-2 Euro und zahlreichen Ständen von Stroopwaffel bis Churros gibt es auch Onigiri ya!, ein kleiner Laden mit japanischen Reisbällchen, Misosuppe und einem herzlichen japanischen Besitzer, mit dem man die ein oder andere interessante Diskussion über die japanische Essenswelt halten kann. Die Reisbällchen kosten zwischen 1,80 Euro und 3,00 Euro – je nach Füllung – und machen wirklich schnell und nachhaltig satt.
Wer nun auf der Suche nach etwas Entspannung und mit Liebe zubereiteten Essen ist, kann sich wunderbar bei Labeled with Trust erholen. Dieser Conceptstore mit Bistro, ehemals Trust, wird von Ehrenamtlichen geführt nach dem Motto „pay as you feel“. Kaufe und bezahle das, was es dir wert ist – neben einem großartigen Frühstücks- und Mittagsangebot mit frischen Speisen, die teils auch vegan sind, verkauft der Laden auch kleine Reimender wie Kissenhüllen, Wasserflaschen und Schlüsselanhänger, die uns im Alltag daran erinnern sollen mehr auf unsere Mitmenschen zu achten, ihnen zu vertrauen und der Welt ein positives Gefühl zu geben.
ÜBERNACHTUNG
Amsterdam hat jede Preiskategorie von günstig bis teuer und leider sind teure Preise kein Garant für eine gute Unterkunft. Wer gerne seine Privatsphäre wahren möchte, kann in einem von zahlreichen Airbnb-Unterkünften etwas für sich finden. Allerdings gibt es in letzter Zeit massive Probleme, da ein Großteil der Wohnungen in der Innenstadt als airbnb genutzt wird und daher die niederländische Regierung ein Gesetz erlassen hat, dass Wohnungen nicht mehr als 60 Tage im Jahr als airbnb dienen dürfen. Seitdem ist auch der Preis von airbnbs drastisch gestiegen.
Wer nun auf der sicheren Seite liegen möchte, hat zahlreiche spannende Hotelkonzepte, auf die er zurückgreifen kann. Statt 40 Euro pro Nacht für ein trostloses Zimmer auszugeben, kann man eben auch ein wenig mehr Geld ausgeben für ein einmaliges Übernachtungserlebnis. So lohnt sich hier allemal, vorab ausführlich zu recherchieren, welche Hotels gute Bewertungen haben und was einen im Inneren erwartet.
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