Mittwoch, 11 Dezember, 2024

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Manchmal treffe ich Menschen, die finde ich auf Anhieb sympathisch und faszinierend. So erging es mir mit Erik. Ich traf ich in London auf der WTM – Messe. Eine internationale Reisemesse. Erik wohnt in L.A. war dort am Eagle Rider Stand (Motorradtouren) zuständig. Wir kamen ins Gespräch und ich war sofort von den vielen Geschichten fasziniert, die er erlebt hatte.

Eine dieser zauberhaften Geschichten erzählt er nun hier.

Mit dem Motorrad unterwegs

Gegen Ende des Tages, nach einer langen Fahrt fühlte sich der Wind noch warm in meinem Gesicht an. Die Fahrt durch Colorado war anstrengend, aber so langsam fing ich an mich zu entspannen. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber man konnte regelrecht zusehen, wie schnell sie doch nach und nach sank.

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Die Strahlen zwischen den Bäumen erinnerten mich daran, dass ich in Richtung Westen fuhr. Zwischen Bergen und Büschen sah ich ab und zu kleine Pfade. Ohne lange zu Überlegen, fuhr ich etwas langsamer und fuhr in einen dieser schmalen Wege. Er führte zu einer Lichtung mit einer kleinen Wiese – umgeben von Bäumen

Ich dachte – perfekt. Dieser Platz erschien mir so ruhig und wunderschön. Ich machte den Motor aus. Die Stille umfing mich. Ich versuchte die Natur nicht weiter zu stören. Ich stieg langsam von meinem Bike und schaute herum. Keine Menschenseele, alles ruhig. Merkwürdige Laute kamen von der Lichtung und hörten sich an wie Stimmen. Ich dachte schon, “ok, schön, dass ich jetzt Stimmen höre, die es nicht gibt. Bis sie auftauchte. Eine junge Frau, die durch den Wald auf die Lichtung trat und auf mich zukam.

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Apachen – Reservat

„Belästigen dich meine Cousins?“ Sagte sie.

Ich war irgendwie noch immer etwas schockiert und starrte sie erstmal einen Moment an. Sie war zart, schlang und hatte langes, schwarzes, glattes Haar.

„Nein überhaupt nicht,“ sagte ich. „Ich dachte ich sei ganz weit weg von allem.“

„Wir leben genau auf der anderen Seite der Bäume,“ antwortete sie.

„Oh,“ sagte ich.

Sie hatte einen indianischen Akzent. „Ich denke meine Cousins haben dich beobachtet.“ Sie lächelte und wir hörten kleine Kinder kichern.

„Wo sind wir eigentlich?“ Fragte ich.

„In einem Indianer Reservat.“

„Oh,“ sagte ich. „Das tut mir leid. Ich packe meine Sachen gleich zusammen und gehe.“

„Das brauchst du nicht,“ antwortete sie. „Du kannst so lange bleiben wie du willst.“

„Vielen Dank,“ erwiderte ich. Die junge Frau wippte von einer Seite zur anderen und schaute neugierig. Ihre Arme waren auf dem Rücken verschränkt.  „Ist das dein Motorrad?“

„Ja, ich durchquere das Land damit,“ antwortete ich.

„Das ist toll,“ sagte sie. „Wohin fährst du?“

„Ich bin in Virginia losgefahren und fahre jetzt weiter in den Westen.“

„Ein Großteil meiner Familie lebt bei Four Corners bei Mesa Verde. Aber ich war noch nie da,“sagte sie.

„Ich kann dich gerne bis dahin mitnehmen, wenn du willst“, antwortete ich nach einer Weile. Wir vereinbarten, dass ich sie am nächsten Morgen zu den Verwandten bringen würde. Trotz ihrer Aufregung über diese Sache, wich die Ruhe und Entspannung nie aus ihrem Gesicht. Der Winde wehte ihre Haare hin und her und ihre braunen Augen leuchteten glücklich.

Ich nahm die Sachen vom Motorrad, sie half mir dabei und legte alles auf den Boden.

Wir fingen an uns zu unterhalten, während ich das Zelt aufbaute. Die Themen gingen nie aus.  Sie saß direkt vor mir. Stunden vergingen. Wir sprachen über ihre Kultur, die Moderne, die Traditionen, unsere unterschiedlichen Lebensweisen und insgeheim beneideten  wir uns irgendwie gegenseitig. Was schon lustig war.

Es war inzwischen so spät, dass es stockdunkel außerhalb des Feuerkreises war. Irgendwann begannen wir beide zu gähnen und unsere Augen trafen sich. Wir mussten lachen, weil wir beide so müde waren. Ohne etwas zu sagen, stand Onawa (so hieß sie) auf. Es war klar, dass sie jetzt gehen würde.

Ich stand ebenfalls auf und wir umarmten uns kurz. Dann ging sie davon und verschwand in der Dunkelheit.

Abschied

Es kam mir vor, als hätte ich die Augen gerade geschlossen, als ich sie wieder öffnete. Die Sonne stand am Himmel und brannte in meinen Augen. Onawa saß ganz entspannt neben dem Feuerplatz. Sie schaute traurig.

„Ich kann leider nicht mit dir gehen.“ Sagte sie.

„Das ist schon ok,“ erwiderte ich und kroch aus dem Zelt. Ich setzte mich neben sie.

„Ich habe einfach zu viel Angst. Ich weiß nicht, wie ich zurückkomme soll von dort.“

„Kein Problem. Ich verstehe das.“ Ich war selbst ein wenig traurig.

Onawa bekam auf einmal einen leuchtenden Blick und sagte: „Hey, aber du könntest mich mit dem Motorrad zum anderen Ende des Reservats fahren.“

„Klar!“ Und wir beide lächelten uns an. Sie half mir mein Zelt und meine Sachen zusammenpacken und alles am Motorrad festzuzurren.

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„Und? Bist du soweit?“ Fragte ich sie, als sie auf den Rücksitz des Motorrads geklettert war.
„Absolut,“ antwortete sie. Ich warf das Motorrad an und das Geräusch durchbrach die Stille.  Was für ein Kontrast zu der absoluten Ruhe.

Nachdem wir den Pfad entlang fuhren, packte mich Onawa etwas fester und machte ein nervöses Geräusch. Während wir zwischen den Bäumen hindurch fuhren, gab sie dann wieder glückliche Laute von sich. Ich wusste, sie liebte es. Ich schaute zurück und sah ihr langes, schwarzes Haar im Wind wehen.  Sie lachte. Nach nur ein paar Meilen kam sie weiter nach vorne und legte ihren Kopf auf meine Schulter, nur für einen ganz kurzen Moment. „Wir sind da,“ sagte sie traurig. Ich hielt langsam an. Wir stiegen beide vom Bike und sahen uns an. Sie sah noch immer ganz aufgeregt aus. Und ich hätte schwören können, ihr Herz schlug noch immer ganz schnell.

„Vielen Dank,“ sagte sie und umarmte mich. Sie drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Als ich wieder aufstieg und wegfuhr, wurde es schwer ums Herz. Ich wusste, dass ich diese zauberhafte Apache Frau, die irgendwo zwischen Colorado und New Mexico lebt, niemals wiedersehen würde.

 

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Vielen Dank Erik Seversen für die zauberhafte Geschichte!

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