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So schön auch der Sommer war, irgendwann kommt eben der Herbst mit ungemütlichen Wetter und erinnert uns daran, dass das Leben kein Picknick ist. Statt an den Strand gehen wir nun wieder lieber Freizeitaktivitäten nach, die innen stattfinden. Für mich war Theater in meiner Schulzeit immer sehr schwierig. In Cuxhaven gab es vielleicht mal Weihnachtsmärchen oder plattdeutsches Theater, aber um ein kulturell wertvolles Stück zu sehen, musste man seinen Deutschlehrer überreden, dass der Kurs mal zu einer Abendvorstellung fährt oder tagsüber ins Theater fahren, denn leider fahren meist nach dem Theater keine Züge mehr heim.
Umso mehr habe ich es genossen, in eine Stadt zu ziehen, in der man ein reichhaltiges kulturelles Angebot hat. Da ich sieben Jahre in Göttingen gelebt habe und dort fast jeden Monat momentan zu Besuch bin, möchte ich mit euch ein paar meiner liebsten Veranstaltungen und Veranstaltungsorte in dieser Stadt vorstellen – weitere Städte folgen natürlich.
Literarischer Herbst im Herzen Deutschlands
Eine meiner liebsten Veranstaltungen, die leider gerade am 20. Oktober ihr Ende gefunden hat, ist der Literaturherbst in Göttingen, der Jahr für Jahr stattfindet und interessante Vorträge aller Art anbietet. Ob nun psychologische Rollentheorie, der erste Roman eines international bekannten Opernsängers, die gigantische Vorlesung des neuen Frank Schätzung Werkes, die eher einem Konzert gleicht oder ein ganz kleiner und besinnlicher Abend mit verschiedenen Autoren aus der Schweiz, während die O-Phase es mal wieder sehr witzig findet, in den Brunnen mit der Gänseliesl Waschmittel zu tun. Für jeden Preis und jeden Geschmack sind Veranstaltungen dabei.
Die Theaterwelt
Für eine gar nicht so große Stadt ist die Auswahl an Theatern und Theatergruppen reichlich. Aktuell ist die neue Saison, da gibt es reichlich Auswahl an Stücken. Nicht nur die drei Theater sind zu empfehlen. Ins Deutsche Theater, Junge Theater und Theater im OP kann man ja immer. Es gibt es immer wieder Theatergruppen, die außerhalb der drei Institutionen inszenieren. Aktuell ist es z. B. die Theatergruppe der Refo in der unteren Klarspüle, direkt an der Innenstadt.
In dieser hatte ich selbst 2013 mein Regiedebüt, gemeinsam mit einer zweiten Regie an meiner Seite. Diese Gruppe inszeniert nur etwa alle zwei Jahre. Wenn sie also mal ein Stück macht, sollte man es sich definitiv angucken. Aktuell spielen sie noch bis zum 2. November “Die Wege des kleinen Prinzen”. Und das schönste an dem Stück ist, dass in einer arenaförmigen Kirche aufgeführt wird: Jeder kann nach Ende des Stücks der Theatergruppe so viel Spende, wie er oder sie möchte. Das Stück ist nicht nur eine Inszenierung vom Buch “Der kleine Prinz”, sondern hilft auch, mehr über die Hintergründe des Autoren zu verstehen. Geschrieben wurde die Version mit Elementen aus „Wind, Sand und Sterne“ und dem bekannten Klassiker “Der kleine Prinz”. Dabei gibt es unter der Regie von Antonina Nagle nicht nur eindrucksvolles Schauspiel, sondern auch Tanz und Gesang. Geeignet ist das Stück ab 12 Jahren und absolut empfehlenswert, die einen Blick hinter den kleinen Prinzen und seine Rose werfen wollen.
Eines der größten studentischen Theater Europas
Meine ersten Babyschritte begannen innerhalb meines Studiums mit einem Maskenkurs an diesem Ort. Da ein größerer Teil des Campus direkt ei der Innenstadt in der alten Uniklinik beherbergt ist, ist das Theater im Op wirklich ein ehemaliger Schau-OP für Studenten. Das macht die Bühne der vielseitig nutzbar und das Theatererlebnis einmalig, denn selten kommt man den Schauspielern so nahe wie hier. Hier gibt es keinen Spielplan, sondern einen En-suite-Spielbetrieb mit 12 Premieren pro Jahr. Im Sommer gibt es auch mal eine Premiere weniger, da sind halt Semesterferien, aber meist sind alle Monate an Produktionen vergeben. Besonders an diesem Theater gefällt mir, dass jeder mitmachen kann. Natürlich, es heißt Studentisches Theater. Aber man findet dort jeden wie einst eine dreizehnjährige Schülerin in der Maske bis hin zu gestandenen Menschen, die dies neben ihrer Arbeit als Hobby betreiben. Und das heißt nicht, dass das Amateurtheater schlechter ist. In jeder Inszenierung spürt man dessen Herzblut. Wer selbst schon mal am Theater war, kennt das sicher.
Genug Theater hab ich doch zuhause
Nein, dieser Satz ist auch nicht nach dem 10.000. Mal witzig. Aber dennoch habe ich in meinen Jahren am Theater oft gehört. Meist beim Flyer verteilen. Denn ich bin nicht so jemand, der einfach Flyer in Fahrradkörbe packt. Nein, Flyer werden gedruckt und sollten schon ein zweites Leben haben. Deswegen gestalte ich sie gerne als Postkarten, die dann noch verschickt werden können. Im Göttingen habe ich zu allererst ab dem ersten Semester Improtheater gespielt. Meine Gruppe hat es nie zur Aufführung geschafft. Dennoch gibt es genug Gruppen in Göttingen, die regelmäßig aufführen. Beispielsweise ist die Gruppe Improsant an Nikolaus im Theater im OP zu Besuch.
Einmal auf der Bühne stehen
Wer nun so gar nicht Theater mag, dem sagt vielleicht Poetry Slam etwas. So stand ich damals 2009 das Allererste Mal auf der Theaterbühne. Möglich machte das der Poetry Slam in Göttingen. Damals fand er noch im Theater im OP statt, seit einigen Jahren ist er allerdings im Jungen Theater. Beim Poetry Slam treten Menschen gegeneinander an, die dann 7 Minuten Zeit haben (Regeln variieren von Slam zu Slam), ihre Werke dem Publikum vorzutragen. Eine Besonderheit in Göttingen ist die offene Liste. Das heißt, jeder kann teilnehmen, wenn er möchte. Je nachdem, wie viele das möchten, wird ausgelost. So trug ich damals eine Geschichte vor über eine Trennung, deren Pointe war, dass es sich um die Trennung von einem Charakter in einem Onlinespiel handelte. Leider ging es nicht um Politik und ich kam nicht weiter, aber als Erstsemester war ich die nächsten Monate bekannt wie ein bunter Hund. Kein so schlechter Start ins Studium also. Ich kann also empfehlen, euch zu trauen, mal eure Werke vorzutragen. Und wenn doch nicht: Wer noch nie auf einem Poetry Slam war, dem kann ich es nur empfehlen. Live ist es komplett anders als im Fernsehen.
Das Leben am Theater
Damals im Jahre 2011 spielte ich im Sommer in zwei Stücken hintereinander mit. Das ganze war ein wenig anders als geplant, aber man hatte eben noch jemanden gesucht für beide Stücke und ich war gerade parat. Beide Rollen waren zum Glück so klein, dass ich weiterhin nicht übermäßig proben musste und da das eine Ensemble mich dem anderen “ausgeliehen” hatte, hatten diese großes Verständnis dafür, dass ich eben nicht rechtzeitig bei jeder Probe sein konnte. Natürlich, es gibt immer wieder Stress. Im Theater hinter der Bühne ist das Leben intensiv. Nicht umsonst sagte man: Die letzten 4 Wochen vor der Premiere hast du kein Leben mehr. Naja, du hast ein Leben. Aber dein Leben ist dann das Theater. Das Theater und nichts anderes. Es gab Jahre, da war Theater mein Hobby und meine Freizeit bestand aus Schlafen. Dass ich damals zeitweise nur wenige 100 Meter vom Theater entfernt gewohnt habe, war durchaus praktisch.
Wissenschaft – ganz anders, als man sie kennt
Im Jahre 2011 rutschte ich versehentlich in meinen ersten Science Slam. Einem Poetry Slam ist dieser gar nicht so unähnlich. Ich hatte geholfen nach Ende eines Stücks beim Aufräumen und Putzen des Theater Backstage. So macht man das, um es sauber und leer dem nächsten Ensemble zu übergeben. Und plötzlich kamen die Organisatoren des Science Slams und meinten: Bleib doch.
Science Slam ist im Grunde genommen wie die coolste Vorlesung, die man sich vorstellen kann. Studenten oder Forschende mit Abschluss stellen ihre Hausarbeit, Abschlussarbeit oder Forschung als Powerpointpräsentation oder anders vor. Bis heute ist mir ein Science Slammer in Erinnerung geblieben, der über Intersexualität in der Bibel, genauer gesagt im Neuen Testament, geforscht hat. Ein sehr interessantes Thema. Auch diese Autoren haben sich wohl etwas abgeguckt.
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